Weitere Vererbungsformen

Mendel hatte für seine Untersuchungen klar definierte Merkmale herausgesucht, die i. d. R. nur durch ein Allel verursacht wurden, und eine dominante und eine rezessive Ausprägung hatten. Zusätzlich lagen die Gene für die meisten Merkmale auf verschiedene Chromosomen, sodass diese unabhängig voneinander vererbt werden konnten (Unabhängigkeitsregel). Heute wissen wir, dass es auch kompliziertere Erbgänge gibt, die nicht allein mit den Mendelschen Regeln erklärt werden können.

Monohybride und Dihybride Vererbung

Wenn bei einem Erbgang nur die Vererbung eines einzigen Merkmals untersucht wird, spricht man von einem monohybriden Erbgang oder von einer monohybrider Vererbung. Bei der gleichzeitigen Betrachtung von zwei Merkmalen spricht man von einem dihybriden Erbgang. Es gibt natürlich auch trihybride Erbgänge bei denen die gleichzeitige Vererbung von drei Merkmalen untersucht wird.

Vollständige und unvollständige Dominanz

Ein Allel, welches sich durchsetzt wird als dominant bezeichnet. Das andere unterdrückte Allel bezeichnet man als rezessiv. In diesem Fall spricht man von einer dominant-rezessiven Vererbung. Falls sich die Effekte der Allele vermischen, spricht man von einer unvollständigen Dominanz, oder einer intermediären Vererbung.

Bei der unvollständigen Dominanz kann ein Allel die Ausprägung eines anderen Allels nicht gänzlich unterdrücken. So erzeugt z. B. beim Löwenmäulchen (das ist eine Pflanze und nicht das Maul eines kleinen Löwen!) die Kreuzung von Individuen mit roten Blüten mit Individuen, die weiße Blüten haben, Nachkommen, die alle rosa Blüten haben, da weder das Allele für rote Farbe noch das Allel für weiße Farbe dominant sind (F1-Generation in der Abbildung).

Wenn wir das Allel für rote Blütenfarbe mit R und das Allel für weiße Blütenfarbe mit r bezeichnen, würden die F1-Hybriden (Individuen der F1-Generation) den Genotypen Rr haben (Farbe rosa). In der F2-Generation ergibt die Kreuzung Rr x Rr vier Genotypen: RR (rot), Rr (rosa), rR (rosa) und rr (weiß). In der F2-Generation tauchen also Blüten mit Farben Rot, Rosa und Weiß in einem Verhältnis 1:2:1 auf. Hier ist das Verhältnis der Genotypen gleich dem Verhältnis der Phänotypen (F2-Generation in der Abbildung).

Was ist die genetische Ursache hierfür?

Das Allel R kodiert Proteine, die den roten Farbstoff produzieren können. Homozygote Individuen (RR) bilden rote Blüten, da sie den roten Farbstoff in hoher Menge herstellen können. Durch eine Mutation kann das Allel R beschädigt (funktionsunfähig) werden. Das Ergebnis ist dann das Allel r, das keinen Farbstoff produzieren kann. In homozygoter Form (rr) führt dies zur Ausbildung weißer Blüten, d. h. ohne den roten Farbstoff. Weißt du, warum heterozygote Individuen mit dem Genotyp (Rr) rosa Blüten ausbilden?

Der Genotyp Rr hat ein funktionierendes Allel (R) und ein defektes Allel (r). Dadurch können Individuen mit diesem Genotyp nur die Hälfte der Menge an rotem Farbstoff herstellen. Diese Menge reicht nicht aus, um die Blüten komplett rot zu färben, wodurch diese nur rosa werden.

Bei der unvollständigen Dominanz bzw. intermediären Vererbung besitzen heterozygote Individuen Phänotypen, die zwischen den beiden homozygoten Phänotypen liegt, wie z. B. die Farbe Rosa, die zwischen Rot und Weiß liegt. Bei der Kodominanz zeigen heterozygote Individuen BEIDE Merkmale gleichzeitig.

Beispiel Blutgruppen:

Bei der Blutgruppe von Menschen existieren zusätzlich zum AB0-System, die fast jeder kennt, noch andere Blutgruppen, wie z. B. das MN-System. Dafür sind zwei Allele namens M und N zuständig. Menschen, die bezüglich Allel M homozygot sind (Genotyp MM) haben die Blutgruppe M.

Menschen die bezüglich N homozygot sind (Genotyp NN) haben die Blutgruppe N. Heterozygote Menschen (Genotyp MN) haben die Blutgruppe MN.

Das Allel M verursacht die Produktion des M-Proteins in der Membran von roten Blutkörperchen. Menschen mit der Blutgruppe M (homozygoter Genotyp: MM) haben nur das M-Protein an ihrer roten Blutkörperchen. Das Allel N verursacht die Produktion des N-Proteins in der Membran von roten Blutkörperchen. Menschen mit der Blutgruppe N (homozygoter Genotyp: NN) haben nur das N-Protein an ihrer roten Blutkörperchen. Heterozygote Individuen mit der Blutgruppe MN (Genotyp: MN) haben BEIDE Proteine an ihrer roten Blutkörperchen, d. h. sie zeigen Merkmal M und Merkmal N gleichzeitig.

Bei der vollständigen Dominanz müssten die heterozygote Individuen (Genotyp MN) entweder die M- ODER die N-Proteine besitzen. Bei der intermediären Vererbung (unvollständigen Dominanz) müssten die heterozygote Individuen ein Protein besitzen, dass Merkmale ZWISCHEN M und N verursachen würde. Bei der Kodominanz hingegen (wie es hier der Fall ist) zeigen heterozygote Individuen BEIDE Merkmale, nämlich M- und N-Proteine.

 

Gonosomale und Autosomale Vererbung

Befinden sich die Allele, die für die Ausbildung der betrachteten Merkmal relevant sind auf Geschlechtschromosomen, dann spricht man von geschlechtlicher oder gonosomaler Vererbung. Befinden sich diese Allele nicht auf den Geschlechtschromosomen, dann spricht man von nicht-geschlechtlichen oder autosomalen Erbgängen, da die nicht-geschlechtlichen Chromosomen auch Autosomen genannt werden.

Gekoppelte und nicht gekoppelte Vererbung

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Multiple Allelie

Bei den meisten Genen, werden die Merkmale durch mehr als nur von zwei Allelen verursacht. Wenn ein Merkmal durch z. B. drei Allelen zustande kommen kann, dann spricht man von tripler Allelie und bei höheren Zahlen von Allelen für EIN Merkmal spricht man von multipler Allelie.

Ein gutes Beispiel für multiple Allelie ist das AB0-System der Blutgruppen. Die Allele A, B und 0 sind für diese Blutgruppe zuständig.

Wir haben drei Allele (A, B und 0) für ein Merkmal (Blutgruppe). Die Allele A und B sind gegenüber dem Allel 0 vollständig dominant, d. h. die heterozygoten Individuen A0 und B0 bekommen jeweils die Blutgruppen A und B. Somit sind die Allele A und B in ihrer Wirkung kodominant. Zusammengefast existiert bei der Blutgruppe (AB0-System) folgende Kombinationen:

  • Genotypen AA und A0 führen zur Blutgruppe (Phänotyp) A,
  • Genotypen BB und B0 führen zur Blutgruppe (Phänotyp) B,
  • Genotyp 00 führt zur Blutgruppe (Phänotyp) 0 und
  • Genotyp AB führt zur Blutgruppe (Phänotyp) AB.

Polygenie (Pleiotropie)

Die Mendelschen Regeln, sowie alle bisherige Betrachtungen beschäftigen sich mit Genen, die nur ein Merkmal beeinflussen. Die meisten Gene aber beeinflussen die Ausprägung von vielen Merkmalen gleichzeitig. In diesem Fall spricht man von Pleiotropie oder Polyphänie. Pleiotropie ist das Gegenstück zu Polygenie.

Die meisten Mutationen, die zu Krankheiten führen (wie z. B. Sichelzellen-Anämie), beeinträchtigen gleichzeitig mehrere Merkmale und sind deshalb pleiotrop. Ein weiteres Beispiel ist ein Allel, das Albinismus hervorruft. Dieses Allel beeinflusst folgende Merkmale (Phänotypen): die Haarfarbe, die Hautfarbe, die Augenfarbe, die Lichtempfindlichkeit und in einigen Fällen das Schielen der Augen.

Epistasie

Von der Epistasie spricht man, wenn ein Gen A die Funktion eines anderen Gens B beeinflusst. A und B werden nach Mendelschen Regeln vererbt. Die Genotypen von A aber (AA, Aa und aa) beeinflussen direkt die phänotypische Wirkung des Gens B.

Betrachten wir die Vererbung der Fellfarbe von Nagetieren (z. B. Wüstenmaus). Die Farbe kann phänotypisch dunkelbraun (Genotypen BB und Bb) oder hellbraun (Genotyp bb) sein. Die Vererbung verläuft, wie gewöhnt nach Mendelschen Regeln, also nichts spektakuläres. Allel B kontrolliert die Produktion der Menge an braunem Farbstoff. Aber wo bleibt das zweite Gen?

Es gibt ein anderes Gen, das Gen C, das die Produktion von Farbpigmenten (egal welcher Farbe) im Fell verursacht. Von diesem Gen C existieren zwei Allele C und c. Während C ein funktionierendes Allel und somit dominant ist, ist das Allel c defekt und rezessiv. Individuen, die den Genotypen cc haben, können keine Farbpigmente produzieren und werden zu Albinos (also weißes Fell), unabhängig davon, wie der Genotyp bezüglich B aussieht. Man sieht also, dass das Gen C die phänotypische Wirkung des Gens B ein und ausschalten kann. Dank Gen C gibt es nicht nur die Phänotypen dunkelbraun und hellbraun, sondern auch weiß für die Fellfarbe. Das ist Epistasie vom feinsten.

Quantitative Merkmale

Bisher haben wir uns mit Merkmalen beschäftigt, deren Ausprägungen eindeutig unterscheidbar waren, wie z. B. Farbe der Erbsen (gelb, grün) oder Blütenfarbe (rot, weiß, rosa) u. v. m. Es gibt aber auch Merkmale, die sich nicht so leicht in bestimmte Phänotypen einteilen lasse, sondern eher einen fließenden Übergang zeigen. Solche Merkmale werden auch quantitative Merkmale genannt.

Das beste Beispiel für eine polygene Vererbung ist die Vererbung der Hautfarbe des Menschen. Die Hautfarbe variiert von sehr dunkel, fast kontinuierlich und ohne klar erkennbare Zwischenstufen bis hin zu sehr hell. Bisher wurden für die Ausprägung der Hautfarbe mehr als drei von einander unabhängige Gene, die jedes ihre eigenen Allele hat, identifiziert. Es gibt wahrscheinlich noch einige andere Genen, die für die Vererbung der Hautfarbe verantwortlich sind. Gewisser Maßen kann die polygene Vererbung eines Merkmals als Umkehrung der Pleiotropie angesehen werden.
Auf molekularer Ebene sind fast immer beide Allele kodominant, da BEIDE in RNA transkribiert werden und anschließend eine Translation in entsprechende Produkte (Proteine) erfolgt. Nach der Translation kann nun ein defektes Allel ein nicht funktionsfähiges Produkt hervorbringt. Sind diese Produkte z. B. Enzyme, die einen Farbstoff synthetisieren und der Phänotyp ist abhängig von der Farbstoffmenge, dann liegt auf der Ebene der Blütenfarbe eine unvollständige Dominanz (intermediär) vor.

Die Kreuzung von homozygoten Pflanzen, die rote Blüten haben, mit homozygoten Pflanzen, die weiße Blüten haben, bringt in der F1-Generation Nachkommen hervor, deren Blüten rosa sind. Auf der molekularen ebene sind die Allele für weiße und rote Blütenfarbe kodominant, da beide transkribiert werden und entsprechende Enzyme produzieren. Da aber die weiße Farbe das Produkt eines defekten Enzyms ist (welches eigentlich den roten Farbstoff produziert hätte), bekommen die heterozygoten Nachkommen nicht ausreichend roten Farbstoff und werden rosa. Wie wäre es, wenn selbst ein intaktes Allel ausreichend rote Farbe produzieren würde, um die Blüten rot zu färben?

Wäre die Menge an rotem Farbstoff, die durch Enzyme eines Allels hergestellt werden, ausreichend so würden heterozygoten Individuen der F1-Generation rote Blüte hervorbringen, da sie ja noch ein funktionierendes Allel besitzen. In diesem Fall und auf der Ebene der Blütenfarbe würde man von einer vollständigen Dominanz sprechen.

Abschließende Bemerkungen

Dominanz ist eine Beziehung zwischen zwei Allelen eines Gens und den damit verbundenen Phänotypen. Ein „dominantes“ Allel ist dominant für ein bestimmtes Allel desselben Gens, das aus dem Kontext hergeleitet werden kann, aber es kann zu einem dritten Allel rezessiv sein und zu einem vierten. Ähnlich ist ein „rezessives“ Merkmal ein Merkmal, das mit einem bestimmten rezessiven Allel assoziiert wird, das durch den Kontext impliziert wird, aber dasselbe Merkmal kann in einem anderen Kontext auftreten, wenn es auf ein anderes Gen und ein dominantes Allel zurückzuführen ist.

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